Lederoptik ohne Tierhaut, Kunstleder ohne Erdöl? Pilzleder – auch Myzel-Leder genannt – macht es möglich: Aus dem Wurzelnetz von Speisepilzen wächst binnen weniger Tage ein geschmeidiges, robusteres und CO₂-negatives Material. Mit einer dünnen Bio-Beschichtung wird es wasserabweisend, farbecht und flammenhemmend. Polstermöbel erhalten dadurch eine luxuriöse Haptik, bleiben aber vollständig kompostierbar. Der Artikel erklärt die Technologie, zeigt Vorteile, eine Fallstudie und eine DIY-Anleitung für einen myzelbezogenen Sitzpouf.

1. Wie entsteht Pilzleder?

Hersteller nutzen meist Ganoderma lucidum oder Pleurotus ostreatus. Produktionsschritte:

  • Substrat: Sägespäne, Kaffeesatz & Hanfschäben werden sterilisiert.
  • Impfen & Durchwachsen: Myzel besiedelt das Substrat in 5–7 Tagen.
  • Kompaktieren: Die Biomasse wird kaltgepresst zu 5–6 mm starken Matten.
  • Gerben: Natürliche Gerbstoffe (Quebracho, Rhabarber) stabilisieren Cellulose & Chitin.
  • Finish: Bio-Polyurethan aus Rizinusöl verleiht Abrieb- & Wasserbeständigkeit.

So entsteht ein lederähnliches Sheet bis 3 × 2 m mit einer Dichte von 0,7 g/cm³ und einer Reißfestigkeit von über 10 MPa – vergleichbar mit Rindleder.

2. Vorteile von Myzel-Polstermöbeln

Vorteil Beschreibung Praxisbezug
Vegan & cruelty-free Keine Tierhaut, kein Chromgerbprozess Zertifiziert PETA-Approved Vegan
Atmungsaktiv Offene Mikro­poren aus Chitinfasern Reduzierter Wärmestau auf Sofa
CO₂-negativ Myzel bindet mehr CO₂ als Produktion ausstößt –3,2 kg CO₂ per m² Material
Design-Flexibilität Prägen, Laser-Cut, natürliche & kräftige Färbung Logo oder 3-D Muster im Bezug
Kompostierbar 100 % bio­basiert, zersetzt sich in 45 Tagen (Industrie-Kompost) Ende des Lebenszyklus ohne Sondermüll


Makroaufnahme von Pilzleder, sichtbare Faserstruktur und geprägtes Muster

3. Fallstudie: Familiensofa im Nürnberger Passivhaus

  • Modell: 3-Sitzer / 210 cm, Bezugsstoff MycoBark 2 mm
  • Nutzen: Täglicher Gebrauch mit Kindern & Hund; 12 Monate
  • Resultate:
    • Abrieb nach Martindale 100 000 Touren: Klasse 5
    • Reinigung: Fleck von Tomatensauce ließ sich mit Wasser & Neutralseife entfernen, keine Verfärbung
    • CO₂-Bilanz Sofa: –18,4 kg (im Vergleich Rindleder +24 kg)

4. DIY: Myzel-Sitzpouf Ø 45 cm beziehen

4.1 Material

  1. Myzel-Leder­sheet 60 × 60 cm (2 mm stark)
  2. Schaumstoffkern Ø 45 × 30 cm
  3. Bastellederband / gewachster Flachfaden
  4. PU-frei Kontaktkleber (Naturkautschuk)
  5. Locheisen 3 mm, Stecknadel & Nähahle

4.2 Anleitung

  1. Kreis + Seitenstreifen aus Sheet zuschneiden (Nahtzugabe 10 mm).
  2. Kanten mit Locheisen im 15-mm-Abstand perforieren.
  3. Kontaktkleber dünn auf Schaumstoff & Myzel-Leder, 5 min ablüften.
  4. Leder anpressen, Überstand umbiegen, mit Sattlerstich schließen.
  5. Naht versiegeln (Bio-Wachs), 24 h lufttrocknen – fertig!

Bauzeit: ca. 90 min, Kosten ≈ 58 €.

5. Pro / Contra Übersicht

Aspekt Plus Minus
Haptik Weich, warm, lederähnlich Etwas weniger Zugfestigkeit als Rindleder
Pflege Abwischbar, nachfettfrei Hitze > 70 °C kann Struktur schädigen
Preis ⌀ 95 €/m² (Stand 2025) 10–20 % teurer als Qualitätskunstleder
Langlebigkeit ≥ 10 J. im Wohnbereich Kratzer von Katzen sichtbar
(mit Pflegeöl reparierbar)
Geruch Neutral, frei von VOC Leichter Pilzgeruch bei hoher Luftfeuchte > 85 %

6. Gesundheit & Umwelt

  • Allergikerfreundlich – kein Chrom VI, keine Weichmacher
  • Antimikrobiell dank natürlicher Chitin-Struktur
  • Kompostierbar – zersetzt sich ohne Mikroplastik-Rückstände

7. Zukunft: Leitfähiges Myzel & 3-D-Gestrick

  • Leitfähige Pilzlederbahnen mit Graphen – integrierte Touch-Bedienelemente in Armlehnen
  • 3-D-Flyknit-Bezüge direkt aus Myzel-Garn – Nahtlospolster mit individueller Zone-Stütze
  • Myco-Sense: Sensorik, die Temperatur & Feuchte im Sitz misst und Lüftungsprofile startet

Fazit: Vegane Eleganz trifft Kreislaufwirtschaft

Pilzleder-Polstermöbel bieten luxuriöse Haptik, individuelle Designs und einen minimalen ökologischen Fußabdruck. Sie ersetzen tierische oder petrochemische Materialien, lassen sich reparieren und am Ende vollständig biologisch abbauen – echte Circular-Economy für dein Wohnzimmer.